Was Lamellenvorhänge mit Bestattungen zu tun haben...
Während ich in Corona-Isolation saß, hatte ich plötzlich ungewohnt viel Zeit, mich zwangsweise viel mit mir selbst zu beschäftigen und meinen Gedanken und Erinnerungen zu lauschen. Heute möchte ich einige davon mit Ihnen teilen. Und zwar meine ersten Erinnerungen zum Thema Bestattungen und Tod - und was Lamellenvorhänge damit zu tun haben.
Was ist das für ein Geschäft?
Als ich noch ein Kind war, schickte mich meine Oma manchmal zum Einkaufen in unsere kleine Siedlung. Neben dem Supermarkt war da dieses Ladenlokal mit der großen Fensterfront und darüber in dicken schwarzen Buchstaben die Überschrift „Bestattungen“. Jedes Mal, wenn ich daran vorbei ging, sah ich dieses leere, große Fenster. Darin zu sehen war: nichts. Ein Lamellenvorhang verdeckte den Blick ins Innere. Auf der Fensterbank stand ein vasenartiger Gegenstand. Ich habe mich immer gefragt, was genau das für ein Geschäft ist, wem es gehört und was hinter diesem Vorhang passiert. Wieso ist der immer geschlossen? Hat der Laden geöffnet oder steht er vielleicht leer? Und wenn es ein Bestattungshaus ist, wie sehen so ein Bestatter und so ein Lokal im Inneren eigentlich aus?
Ein Bestatter kommt doch nur, wenn jemand gestorben ist. Anders bekäme man womöglich niemals einen zu Gesicht – so zumindest meine kindlichen Gedanken. Dass ein Bestatter auch nur ein Mensch wie jeder andere ist, darauf ließ das mysteriöse Fenster jedenfalls nicht schließen. Niemals hätte ich mich dort herein getraut, obwohl es mich immer interessiert hatte. Einige Jahre später starb meine Oma zu Hause und zwei Bestatter kamen in unser Haus. Jetzt wusste ich, wie sie aussehen, aber gesagt haben sie nichts. Sie nahmen sie mit und ab da war sie weg. Ich wusste nicht, wohin sie gebracht wurde und was dort mit ihr passiert. Gerne hätte mein heutiges Ich ihr noch etwas mitgegeben. Vielleicht war vor über 20 Jahren einfach noch nicht die Zeit für so etwas.
Wir geben uns ungern eine Blöße
Wenn ich heute über leere Fenster und Lamellenvorhänge nachdenke, frage ich mich, warum das bei vielen so war und sogar heute oft noch so ist. Sicher möchten Angehörige diskret in sicherer Umgebung beraten werden, ohne, dass jeder beim Vorbeigehen sieht, wer gerade beim Bestatter sitzt und um Fassung ringt. Vor einigen Jahren rief eine Frau an und bat uns, ihren verstorbenen Mann erst in der Nacht bei ihr zu Hause abzuholen. Die Nachbarn seien zu neugierig, es sei ihr unangenehm, wenn jemand das Bestattungsfahrzeug vor der Haustür sieht. Der Tod ist eben immer noch für viele ein Tabuthema. Er ist beklemmend und zeigt unsere Verletzlichkeit. Und bei den Angehörigen sorgt er manchmal auch für Scham. Scham für die Trauer, die Hilflosigkeit, die Verletzlichkeit, für einen gefühlt unangemessenen Kontrollverlust. Angst davor, bemitleidet zu werden, erklären zu müssen. Wir geben uns ungern eine Blöße, aus Angst, uns angreifbar zu machen. Aber auch unsere Ängste und Sorgen, und auch unsere gefühlten oder tatsächlichen Unzulänglichkeiten gehören zu unseren Persönlichkeiten und zum Leben dazu. Und das muss man nicht verstecken.
Offenheit statt Lamellen
Aber es wird besser. Im Laufe der letzten Jahre hat sich viel getan im Bestattungsgewerbe - die Fenster werden freundlicher und offener, die Räume heller, die Bedürfnisse der Trauernden ernster genommen. Und auch immer mehr Bestatter zeigen Persönlichkeit und begegnen Trauernden als Partner in einer schweren Zeit.
Genauso sollte es auch sein. All diese Gedanken dazu kommen mir, wenn Ruhe einkehrt. Und auch wenn diese Geschichte nicht immer präsent in meiner Erinnerung ist, so hat sie mich, wenn ich heute darüber nachdenke, nachhaltig geprägt. Ich wusste, ich möchte keinen Lamellenvorhang und kein leeres Fenster. Es soll bunte Räume geben und freundliche Farben sollen unser Unternehmen prägen. Und es wird auch nicht geschwiegen, wenn wir ins Haus kommen. Wir sind für die Angehörigen und ihre Anliegen da, es darf über alles gesprochen werden und es gibt keinen Grund, sich zu schämen.